Mai: Q&A mit Ross Millard

Der Musiker und Songwriter Ross Millard, der vor allem als Mitbegründer der Northern-Post-Punk-Band The Futureheads bekannt ist, lässt das Gras unter seinen Füßen nicht wachsen. Er ist außerdem Künstler und Grafiker und hat in seiner Rolle als künstlerischer Leiter bei der Kuratierung des Split Festivals in Sunderland geholfen. Ross schreibt und spielt weiterhin neue Musik, daher war es eine wahre Freude, ihn kürzlich zu treffen, um herauszufinden, was er gemacht hat und mit wem er zusammengearbeitet hat …

Foto: Ian West

Können Sie uns etwas über einige der neuen Projekte erzählen, an denen Sie gearbeitet haben, nachdem Sie The Futureheads 2013 vorübergehend pausieren ließen?

Ich habe mit Frankie & The Heartstrings – langjährigen Freunden aus Sunderland – Gitarre gespielt. Wir haben letztes Jahr eine Platte herausgebracht und hoffentlich gibt es nächstes Jahr eine weitere. Ich habe eine neue Band namens Drifts gegründet – wir haben eine EP herausgebracht und in den nächsten sechs Monaten oder so werden weitere folgen. Ich habe auch an zwei Theaterprojekten gearbeitet – Lieder/Partituren geschrieben und auf der Bühne aufgetreten. Das war wirklich befriedigend, da es sich um eine ganz andere Disziplin handelt, und es hat mir Spaß gemacht, mit Schauspielern und Regisseuren zusammenzuarbeiten, da die Herangehensweise an die gesamte Show ganz anders ist als „eine Band zu gründen“.

Sie sind noch ein junger Mann, aber wenn Sie auf Ihre bisherige Karriere zurückblicken, gibt es eine Arbeit, die Sie am meisten befriedigt?

Das ist eine unmöglich zu beantwortende Frage, denn ich glaube nicht, dass man nach der Aufnahme einer Platte oder einem Auftritt wirklich nach Befriedigung sucht. Ich ziehe es vor, mir vorzustellen, dass alles in diesem Moment existiert, und danach versucht man, seine Aufmerksamkeit auf etwas anderes zu richten und nicht zurückzublicken, denn ich glaube nicht wirklich, dass es in der Vergangenheit sozusagen viel Befriedigung gibt. Wenn es um Erfolge geht, war die Veröffentlichung des ersten Futureheads-Albums meiner Meinung nach ein bedeutender Meilenstein, da es zweifellos den Weg meines restlichen Lebens verändert hat.

Sie haben in letzter Zeit großartige Druckarbeiten gemacht und Aufträge für die Gestaltung von Kunstwerken für Auftritte wie das BBC 6Music Festival erhalten. Du hast auch neue Musik geschrieben. Was regt deiner Meinung nach die Kreativität in dir an?

Offenheit, nehme ich an. Eine gute Geschichte. Ein Ausgangspunkt. Ein ruhiger Raum und ein immersiver Gedanke. Das Leben kann voller Verwaltungsaufwand sein, wenn Sie es zulassen. Deshalb ist es wichtig, dass Sie sich Zeit für die Erstellung von Dingen nehmen.

Drifts: XR3i

Haben Sie persönliche Ambitionen, die Sie noch nicht erreicht haben, oder konzentrieren Sie sich nur auf den Moment?

Ehrlich gesagt bin ich ein bisschen ein Drifter. Ich glaube nicht an langfristige Pläne oder unerfüllte Träume. Es macht mir wirklich Spaß, mit anderen kreativen Leuten zusammenzuarbeiten und Bands zu gründen, Pläne zu schmieden und einfach weiterzumachen. Es liegt eine große Magie darin, zu sehen, wohin die Arbeit einen führt, sei es auf Reisen, beim Treffen mit Menschen oder was auch immer.

Wer war Ihrer Meinung nach die einflussreichste Person in Ihrem Leben und warum?

Das ist eine schwierige Frage, denn ich versuche, Menschen nicht so zu betrachten. Die Szene, aus der meine Band stammt, und tatsächlich das Ethos von Sunderland als Stadt im Allgemeinen besteht darin, gleiche Wettbewerbsbedingungen zu schaffen, Menschen nicht auf Podeste zu stellen und Respekt zu zeigen, ohne unbedingt Helden zu haben. Ich nehme an, dass ich bei solchen Dingen eine ziemlich fatalistische Einstellung habe. Ich denke, dass wir vier bei The Futureheads im Laufe der Jahre einen ähnlichen Einfluss aufeinander ausgeübt haben, und diese Beziehungen und diese Chemie gehörten zu den wichtigsten, die ich je hatte/erlebt habe (wenn Sie verstehen, was ich meine). Keine Helden, Mann. Auf keinen Fall.

Das Leben eines Musikers oder Künstlers scheint oft von Höhen und Tiefen geprägt zu sein. Was ist Ihrer Meinung nach die herausforderndste Erfahrung, die Sie je gemacht haben?

Ich denke, die größte Herausforderung war die Erfahrung, die ich über einen längeren Zeitraum gemacht habe: in der Musikindustrie tätig zu sein und die eigene Kreativität der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Es ist wichtig, dass man in der Lage ist, das Grobe mit dem Sanften zu verbinden, und es ist leicht zu verstehen, warum manche Musiker, Schauspieler und Schriftsteller von diesem Prozess verrückt werden. Wenn Sie es zulassen, kann Ihr Ego manchmal eine ziemliche Belastung aushalten. Es ist wichtig, in der Lage zu sein, aus dem vom Ego dominierten Umfeld herauszukommen, in dem die Leute Ihre Arbeit kritisieren und Ihnen entweder sagen, dass Sie großartig oder schrecklich sind. Ich denke, es ist am besten zu lernen, sich nicht wirklich darum zu kümmern, solange man den Wunsch, Arbeit zu produzieren, in sich behält.

Welches Jahrzehnt in den letzten 100 Jahren hat Ihrer Meinung nach die britische Kultur am meisten geprägt und welches hatte den größten Einfluss auf Sie?

Nun, ich denke, die Gier, der Opportunismus und die Egozentrik der 1980er scheinen auch heute noch vorherrschend zu sein. Wenn ich also diese unglaublich schwierige Frage beantworten müsste, würde ich das sagen. Ich glaube, die meisten Menschen in meinem Alter (33) haben ein Ego-Problem. Ich weiß, das hört sich furchtbar an, aber wir wurden in dem Glauben erzogen, dass wir alle über herausragende Leistungen verfügen und über besondere, natürliche Talente verfügen. Ich glaube nicht, dass das zum Beispiel in den 40er, 50er, 60er Jahren so war. Es ist gefährlich. Und es kann dazu führen, dass sich Menschen ernsthaft deprimiert fühlen, wenn ihr Leben nicht so verläuft, wie sie es geplant haben.

Das Jahrzehnt, das mich am meisten geprägt hat, waren zweifellos die 1990er Jahre. Meine prägenden Jahre, in denen ich Musik, Fußball, Kunst und was auch immer entdeckt habe.

Halten Sie Stil für wichtig oder handelt es sich dabei um unnötige Oberflächlichkeit?

Ich denke, eine rohe Ästhetik ist wichtig. Ob in deiner Kleidung, in deinem Gesicht oder in den Dingen, die du sagst, ich lege Wert auf gutes Benehmen.

Wenn Sie eine Erinnerung aus Ihrem Leben für immer behalten könnten, welche wäre das?

Ich treffe meine Freundin zum ersten Mal.

Was ist das Lustigste, was Sie je gesehen haben?

Futureheads spielten irgendwo in Belgien ein Festival auf einer großen Open-Air-Bühne. Jemand hat einen Ballon auf die Bühne schweben lassen, und ich erinnere mich an Jaff (unseren Bassisten), der als erster zugab, dass er ziemlich stilbewusst ist, als er beim Bassspielen einen gewaltigen Tritt auf diesen Ballon ausführte. Er verfehlte sein Ziel, rutschte aus und landete vor einer Menge von Zehntausenden direkt auf seinem Hintern. Das fällt auf...

Wo nennst du dein Zuhause und wie fühlst du dich dabei?

Ich lebe in Newcastle und mache das seit 16 Jahren. Ich verbringe wahrscheinlich auch jeden Tag Zeit in Sunderland, also nenne ich den Nordosten wohl mein Zuhause. Ich mag es, weil Newcastle eine echte „Stadt“ ist, ohne riesig zu sein. Ich habe hier viele Freunde und es ist einfach, sich an neuen Projekten und Plänen zu beteiligen, und es ist eine gute Stadt, in der man beschäftigt sein kann. Sunderland ist großartig, weil die Menschen und der Geist in der Stadt so stark sind. In Sunderland passieren derzeit viele aufregende Dinge.

Was ist Ihre Lieblingsstadt auf dem Planeten und warum?

Schwierige Frage, aber ich liebe Berlin. Man spürt die Zugänglichkeit, dass man sich auf Dinge einlassen kann, an jeder Ecke passieren spannende, künstlerische Dinge, es gibt tolle Architektur und viel Geschichte.

An welchem Ort können Sie am liebsten dem Alltag entfliehen und die Seele baumeln lassen?

Dafür gehe ich gerne nach North Berwick. Wenn man ein bisschen nachdenklich sein will, muss man meiner Meinung nach an der Küste sein.